An die Damen und Herren der Deutschen Bahn,
seit nun fast fünf Jahren fahre ich regelmäßig mit den Zügen der Deutschen Bahn.
Im Allgemeinen könnte ich sagen, dass ich mit den Zügen durchaus zufrieden bin. Im Allgemeinen könnte ich auch sagen, dass ich mit dem überaus freundlichen Bahnpersonal und dessen Service sehr zufrieden bin. Und im Allgemeinen könnte ich sagen, dass man die Uhr nach der Bahn stellen kann.
Doch wie Ihnen beim Lesen der letzten drei Sätze vielleicht aufgefallen sein mag – wenn nicht, weise ich Sie nun freundlichst darauf hin -, habe ich den Konjunktiv – in der deutschen Grammatik auch die sogenannte Möglichkeitsform – benutzt.
Was ich damit ausdrücken möchte; sollte ich mich jemals öffentlich äußern müssen – oder dürfen -, würde ich Folgendes zum Thema Bahn, Bahnbenutzung, Bahnverkehr, Bahnpersonal etc. sagen:
Die Züge der Deutschen Bahn sind größtenteils mit einem Kaugummiautomaten zu vergleichen. Besonders in den Regionalzügen kann man sich kaum auf einem Platz niederlassen, ohne danach seine Hose reinigen zu müssen. Die Fensterscheiben sind zerkratzt und teilweise auch so mit Graffity versehen, dass man kaum noch durch die Scheibe blicken kann.
Aber keine Sorge natürlich vergesse ich bei dieser Ansprache auch die ICs und die heiß gelobten ICEs nicht, in denen es in mehreren Jahren zum Ausfall der Klimaanlage kam, weshalb die Passagiere oft stundenlang in der glühenden Sommersonne schwitzen mussten, wie ich im letzten und vorvorletzten Jahr. Doch natürlich gab es für die Fahrgäste auch eine Entschädigung, einen heißen Becher Kaffee, bei dem es sich das Personal nicht nehmen ließ, diesen nur bis zur Hälfte zu füllen. Allerdings darf ich Ihnen dabei nicht zur Last legen, dass Sie im Eifer des Gefechts die Nicht-Kaffee-Trinker vergaßen.
Natürlich ist es aber immer noch angenehmer an einem Hitzeschlag zu sterben als zu erfrieren. Wie es der Zufall will kam ich ebenfalls in den Genuß dieses Phänomen zu ertesten, als die Klimaanlage des IC´s aufgrund eines technischen Defekts nicht abgestellt werden konnte.
Aber gegen technische Defekte und Betriebsstörungen aller Art kann selbst ein ausgebildeter Bahnangestellter nichts bewirken.
Und da wir gerade dabei sind, widmen wir uns doch dem ach so aufmerksamen Bahnpersonal, dass immer und überall für die Passagiere da ist. Wobei ich mich allerdings daran erinnere im Winter an einem völlig verlassenen Bahnhof gestanden zu haben, auf dem ich weder einen Angestellten der Bahn noch einen funktionierenden Automaten finden konnte, der mir über die nächste Zugverbindung hätte Auskunft geben können. Übrigens stand ich an diesem Bahnhof - während eines Schneesturms – da der Schaffner im Zug die Zähne nicht weit genug auseinander bekam, um eine einfache Ortsansage laut und für jedermann verständlich über die Lautsprecheranlage des Zuges zu machen, und die Anzeige in meinem Wagon ebenfalls defekt war.
Ach, da wir gerade beim Thema sind, wenn sie Ihr Personal einstellen, müssen diese dann einen Test zur deutschen Hochsprache absolvieren? Wahrscheinlich nicht, sonst würde man nicht in Hamburg mit einem bayrischen Dialekt über rauschende Lautsprecher konfrontiert werden.
Und noch eine Frage: Die Ansagen auf den Bahnhöfen, sind das Bandansagen oder sitzt da am Ende des Mikrofons tatsächlich jemand? Denn als ich letztens in Berlin auf dem Bahnhof stand, hätte ich schwören können eine Ansage für Gleis 6 gehört zu haben („Achtung auf Gleis 6! Der Zug fährt jetzt ein!“), obwohl kein Zug während der nächsten zwanzig Minuten halten sollte, während auf Gleis 7 keine Ansage gemacht wurde, obwohl ein Zug kam.
Und noch eine letzte Frage - bevor ich mich der Pünktlichkeit der Züge zuwende: Als ich meine Fahrkarte am Freitag kaufte, hätte mir dann die überaus hübsche Fahrkartenverkäuferin nicht sagen können, dass seit Donnerstag alle Züge zwischen Bernau und Berlin Hauptbahnhof über Berlin Gesundbrunnen anders verkehren und dass der Zug, mit dem ich fahren wollte und dessen Zugverbindung sie mir höchstpersönlich ausgedruckt hat, am nächsten Tag nicht fahren würde?
Und das ausgerechnet im Zeitalter der weltweiten, hyperschnellen Medienübertragung.
Nun, gut.
Wenn ich jetzt auf meine Uhr sehe, ist es 18 Minuten nach 16 Uhr. Und wenn ich dann meinen Blick etwas höher gleiten lasse, so steht auf der blauen Anzeigetafel – eine überaus entzückende Farbe, wobei ich hiermit ein Lob an den Designer abgebe, an den ich mich später aber nochmal wenden werde -, dass 18 Minuten nach 16 Uhr der IC nach Erfurt über Bitterfeld abfährt. Dieser ist aber bisher noch nicht eingetroffen.
Wenn ich nun nach zehn Minuten erneut auf meine Uhr blicke und dann meinen Kopf zum Gleis wende, sehe ich... keinen Zug! (Immerhin wurde die zwanzigminütige Verspätung über die Lautsprecher von der freundlichen Bahnansagerin angekündigt.)
Mein Großvater berichtet mir oft von dem für mich absolut unvorstellbaren Phänomen, dass die Deutsche Bahn pünktlich kam und man nach ihr sogar die Uhr stellen konnte. Wenn das so weiter geht, werden meine Enkelkinder von der Deutschen Bahn nur noch Geschichten hören und ich werde ihnen mit Freude von dem Zusammenbruch Ihres Verkehrssystems erzählen.
Da ich sicherlich nicht die erste bin, die sich über die schlechten Verhältnisse der Bahn beschwert – was aus der Entlassung des Bahnchefs Mähdorn durchaus erkenntlich ist -, und sie die endlosen Nörgeleien und Vorwürfe der Passagiere bestimmt endgültig satt haben, komme ich nun zum Schluss.
Es ist Ihr Glück, dass ein Großteil der deutschen und auch teilweise europäischen Bevölkerung auf dem Bahnverkehr angewiesen ist, denn gäbe es eine annehmbare Alternative, würden Sie in Zukunft maximal noch leere Wagons von Köln nach Berlin rangieren.
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Pauline Schrader.
PS: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die englischen Ansagen in ihren Zügen nicht einmal ein Viertel der Informationen enthalten, die beiden den deutschen Durchsagen zu hören sind? Als Ausländer ohne Deutschkenntnisse wäre man total aufgeschmissen...