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Projekt Neptunius |
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Eins
„Leysa Mahoni sah in das Gesicht des Zerstörers, sah den Hass, den Zorn und die Wut in seinem Gesicht. Und sie wusste, dass dies das Ende sein würde – für ihn.“
Mara Shivani schwieg und schloss das Buch, aus dem sie gelesen hatte. Zwei Sekunden, dann würden die Fragen auf sie einstürzen. Doch sie und ihre Verlegerin Lucy hatten vereinbart, die Journalisten einfach stehen zu lassen. Es sollte eine Art Werbegag sein.
Lucy wusste, wie man eine Show veranstaltete und wie man sie am besten über die Bühne brachte. Der Abgang musste gelungen sein.
Daher erhob sie sich schnell und bedeutete Mara, das Zimmer durch die Hintertür zu verlassen, solange die Reporter sie noch konfus anstarrten.
Doch noch bevor Mara verschwinden konnte, schossen die Mikrofone und Aufnahmegeräte der Journalisten auf sie zu. „Miss Noran, wie kamen Sie auf die Idee ein Buch über dieses Thema zu schreiben?“ - „Sie wurden mehrfach beschuldigt in ihren Büchern die Tatsachen zu verdrehen, was sagen Sie dazu?“
Eilig stellte sich Lucy zwischen Mara und die wilde Horde. „Nun, meine Damen und Herren. Miss Noran muss jetzt weiter zu einer Autogrammstunde im Citizen Palace. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an den Verlag!“
Schnell verschwand Mara hinter einer Tür. Sie hasste diesen Trubel. Schreiben war alles, was sie wollte. Die Leute sollten ihre Bücher lesen, aber sie wollte nicht bekannt werden. Zumindest wollte sie nicht die ganze Aufmerksamkeit der Reporter Londons auf sich ziehen – auch wenn das viele Kritiker ihrer Bücher behaupteten.
Lucy schlug die Tür hinter sich zu. „Ich glaub´, ich werde langsam zu alt für diesen Job.“
Mara lachte. „Als wenn du jemals alt werden würdest.“
Lucy grinste. Sie wusste, dass Mara Recht hatte. Schließlich war sie eine Venus. Die wurden nie alt. Zumindest äußerlich nicht älter als 30 Jahre Erdenzeit.
In ihre Augen trat ein gieriges Funkeln. „Wenigstens haben wir jetzt die Publicity, die wir brauchen, um dein zweites Buch noch besser zu vermarkten als dein erstes.“
„Du geldgieriges kleines Biest“, sagte Mara grinsend. Lucy nickte. „Und deshalb bin ich die Managerin und du die Schriftstellerin, Christina.“
Mara zuckte zusammen. Die Tatsache, dass Lucy sie Christina nannte, rief ihr wieder in Erinnerung, wo sie war und wer sie war. Oder besser, wer sie nicht sein durfte. Für den Moment war sie Christina Noran, Schriftstellerin und Journalistin in London. Auf der Erde.
Doch eigentlich gehörte sie dort gar nicht hin. Eigentlich wusste sie nicht einmal genau, wo sie hingehörte. Das einzige, was sie wusste war, dass sie nicht Mara Shivani sein durfte. Mara Shivani, Tochter von Saromir und Kima Shivani. Tochter der Herrscher des Neptun.
Noch vor fünfzehn Jahren war alles in bester Ordnung gewesen. Sie hatte mit ihren Eltern und ihrem Bruder auf dem Neptun gelebt. Ohne Sorgen und ohne den Verdacht, dass sich in einer Nacht alles ändern würde.
Die Galaxie befand sich mitten im Krieg, doch die Bewohner des Neptun waren davon nie betroffen gewesen. Der Krieg herrschte hauptsächlich zwischen den Planeten Saturn und Jupiter. Sie kämpften um die Vormachtstellung auf der Erde.
Doch trotzdem wurde der Neptun von ihnen zerstört. Trotzdem waren alle Bewohner vernichtet wurden. Trotzdem...
„Christina? Alles in Ordnung?“ Lucys besorgte Stimme hatte Mara abrupt aus ihren Gedanken gerissen. Sie lächelte Lucy verwirrt an.
„Es tut mir Leid, was hast du gesagt?“, fragte sie und Lucy schüttelte den Kopf. „Was ist los mit dir? Seit einiger Zeit benimmst du dich irgendwie komisch. Du scheinst mir so abwesend zu sein.“
Mara straffte sich. „Es ist nichts.“ Sie lächelte. „Wirklich! Ich.. habe nur gerade an mein neues Buch gedacht.“
Lucy sah sie mit großen Augen an. „Du denkst bereits über dein neues Buch nach. Fantastisch!“ Mara grinste. Lucy Jones war nicht nur ihre Managerin und Verlegerin, sondern auch ihre beste Freundin. Sie kümmerte sich um Mara und machte sich Sorgen, wenn es ihr nicht gut ging. Doch wenn es um´s Geschäft ging, vergaß sie alles andere.
„Weißt du schon wie es heißen soll?“, fragte Lucy. „Dann könnte ich schon eine Pressemeldung raus geben. Das bringt noch mehr Publik für dein jetziges Buch!“
Mara lachte. „Nein, leider nicht. Aber sobald mir einer eingefallen ist, melde ich mich bei dir.“ Lucy nickte, dann zog Mara schnell weiter. „Komm, wir dürfen deine Fans nicht warten lassen!“
Sie waren in einem langen Gang, der alle Geschäfte auf einer Etage miteinander verband und hauptsächlich vom Personal benutzt wurde.
Am Ende des Ganges gingen sie durch eine Tür und landeten in einer kleinen, aber geräumigen Buchhandlung. Judy Miller, die Besitzerin des Flying Book begrüßte sie herzlich. Sie war eine kleine, mollige Dame, die den Anschein einer Großmutter erweckte, die ihren Enkelkindern heimlich Schokoladenkekse zusteckte und ihnen Märchen vor dem Kamin vorlas.
„Miss Noran, Mrs. Jones! Willkommen in meinem Laden! Es freut mich, dass Sie kommen konnten.“ Sie drückte die beiden an ihre Brust.
„Es freut uns, dass Sie die Autogrammstunde noch so kurzfristig einrichten konnten. Sie haben uns vor einem kleinen Desaster bewahrt“, sagte Lucy mit geschäftsfrauischem Ton, aber dankbar.
Judy Miller schüttelte abwehrend den Kopf. „Aber das ist doch selbstverständlich. Schließlich haben Sie meinen Laden hier in New York berühmt gemacht.“
Mara lächelte. Sie hatte vor zwei Jahren in Judy Millers Laden als Aushilfe gearbeitet. Nachdem ihr erstes Buch erschienen war und ein voller Erfolg wurde, brummte auch der Laden, denn jeder wollte einmal in dem Laden einkaufen, in dem Christina Noran arbeitete. Schließlich bestand die Möglichkeit einmal von ihr bedient zu werden.
„Nun, setzen wir uns doch!“ Judy Miller schritt zu der kleinen Leseecke, in der sie einen kleinen Tisch platziert hatte. „Bevor der ganze Trubel hier losgeht, sollten wir uns noch ein Tässchen Tee gönnen.“
Das Tässchen Tee war bei Judy Miller ein Ritual, das sie vollzog, wenn sie wegen einer Sache besonders nervös oder aufgeregt war. Ihr Geheimrezept, mit dem sie den Tee zubereitete, wirkte immer beruhigend und Mara hatte schon oft darüber nachgedacht, ob Judy Miller nicht vielleicht auch von einem anderen Planeten stammte. Denn zwar machte niemand ein Geheimnis darum, woher er stammt, aber man sah es den Leuten auch nicht an.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, was jedes Mal die Aufmerksamkeit aller Besucher auf sich zog, da dies ein unerträgliches Quietschen verursachte. Judy besaß genügend Geld, um die Tür reparieren zu lassen oder sie sogar gegen eine neue auszutauschen, doch das Quietschen gab ihr eine gewissen Sicherheit und war mittlerweile außerdem ein bezeichnendes Accessoire ihres Geschäfts.
Ein großer, gut gebauter Mann betrat nun den Laden. Da sich die Leseecke hinter einem hohen Bücherregal befand, konnte man von dort aus zwar die Tür genau beobachten – sofern man dies in Betracht zog -, wurde aber selbst nicht sofort wahr genommen.
Eine Weile stand der Mann regungslos an der Tür, dann schritt er auf die Theke zu. Er betätigte den Klingelknopf und wartete einen Moment. Judy Miller seufzte kurz. Sie hatte sich gerade erst niedergelassen und auch wenn sie für ihr Alter noch fit war, bescherte es ihr einige Anstrengungen sich zu erheben.
Mit einem mühsamen Lächeln erhob sie sich dann doch, als der Kunde ein weiteres Mal die Klingel ertönen ließ.
Das Regal verdeckte Mara und Lucy die Sicht auf das Gesicht des Herren, aber ihr Interesse galt im Augenblick sowieso dem von Judy selbst gebackenen Streuselkuchen.
Als dann aber die Stimme des Besuchers erklang, hätte Mara sich beinahe an ihrem Streuselkuchen verschluckt. Sie hustete kurz. Habe ich mir das eben nur eingebildet?
Sie spähte durch den Schlitz zwischen den einzelnen Regalplatten. Leider konnte sie nur den Oberkörper des Mannes sehen. Wenn sie sich ein wenig nach unten beugen würde vielleicht? Sie lehnte sich über die Kante des Stuhles und ließ den fremden Besucher nicht aus den Augen. Ein Stück noch, nur ein kleine Stückchen...
Im nächsten Moment verlor sie das Gleichgewicht und landete mit einem Rumpeln auf dem Boden.
Lucy schaute sie einen Moment verdutzt an, dann fing sie schallend an zu lachen. Langsam rappelte sich Mara vom Boden hoch. Eine Hand packte sie an der Schulter und zog sie nach oben. Im nächsten Moment starrte sie in das lächelnde Gesicht ihres großen Bruders Younes.
„Hallo, kleiner Tolpatsch!“, begrüßte er sie fröhlich. Mara starrte ihn noch sekundenlang an, dann umarmte sie ihn stürmisch. Zärtlich legte er die Arme um sie.
„Wie geht es dir, Schwesterchen?“, fragte er sie besorgt musternd. „Du siehst müde aus.“
Mara nickte. „Das bin ich, aber ansonsten geht es mir fantastisch. Was tust du hier? Ich dachte, du wärst in Südamerika unterwegs!“
Younes setzte zum Reden an, doch er wurde von einem kurzen, aber vernehmlichen Räuspern unterbrochen. Mara wandte sich um. Sie hatte ganz vergessen, dass Lucy noch hinter ihr stand.
„Oh, pardon! Lucy, das ist mein großer Bruder Samuel. Samuel, das ist Lucy, meine beste Freundin, Managerin und Verlegerin.“
Samuel reichte Lucy die Hand. „Mit so vielen Jobs auf einmal sind Sie sicher sehr beschäftigt, Lucy.“ Als er ihren Namen aussprach, errötete Lucy merklich. Sie konnte gerade noch ein „Ja“ hauchen.
Mara grinste. Ihr Bruder hatte immer noch das Talent Frauen mit einem einzigen Blick die Röte ins Gesicht zu treiben. Sein Charme war unübertrefflich.
„Und das ist Mrs. Judy Miller. Ihr gehört das Flying Book“, stellte Mara Judy Miller vor. Samuel grinste. „Ja, wir haben uns bereits bekannt gemacht.“
Judy Miller zwinkerte ihm verschmitzt zu. „Ich habe Samuel verraten, dass Sie hier heute zu finden sind. Es sollte eine Überraschung werden.“
„Das war es auf jeden Fall.“ Mara lächelte.
Ein lautes Quietschen ertönte und sie wandten sich um. Gleich vier junge Frauen waren in den Laden getreten. Judy Miller schenkte ihnen ein freundliches Lächeln, welches sie erwiederten.
„Nun, dann werde ich mal wieder an die Arbeit gehen und meine Kundinnen beraten“, flüsterte Judy Miller und verschwand hinter einem der Bücherregale.
„Und ich werde mich mal zu meinem Tisch begeben und darauf warten, dass die Scharen von Fans auf mich zugestürmt kommen, um ein Autogramm von mir zu ergattern.“ Mara lachte und stieß im nächsten Moment mit jemandem zusammen. „Oh, pardon! Ich bin heute wohl besonders tolpatschig.“
Die junge Frau mit der sie zusammen gestoßen war, hob ein Buch vom Boden auf, dass ihr heruntergefallen war. „Kein Problem! Ich kenne das. Manchmal da...“
Sie starrte Mara an. „Sie sind Christina Noran!“ Mara nickte.
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Das Telefon klingelte. Noch bevor sie abnahm wusste sie bereits, wer am Apparat war. Sie hatte geahnt, dass er sich melden würde. Spätestens nachdem der Artikel in der Zeitung erschienen war und die ersten Bericht im Satelliten TV gezeigt wurden.
„Hallo.“
Schweigen. Zwei Sekunden des endlosen Wartens.
„Hallo, mein Kind. Ich nehme an, du hast meinen Anruf bereits erwartet.“
Sie schluckte. Wie schon damals als sie den ersten Auftrag von ihm bekommen hatte, lief es ihr kalt den Rücken runter, sobald seine Stimme erklang.
„Ja. Das habe ich.“
„Du weißt was zu tun ist.“
Seine Stimme klang bedrohlich und kalt. Wenn er etwas sagte, dann schwang im Untergrund immer ein unausgesprochener Befehl mit. Und wer sich diesem widersetzte, konnte damit rechnen am nächsten Tag bereits in der Gerichtsmedizin zu liegen.
Sie hatte Angst vor ihm. Große Angst. Und trotzdem spürte sie, dass er sie nicht töten würde. Nicht jetzt. Vielleicht nie.
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Als Mara am Abend zusammen mit ihrem Bruder die kleine Wohnung im sechsten Stock des Blocks betrat, fühlte sie sich unglaublich müde und erschöpft. Es war ein langer Tag gewesen. Obwohl es nur eine Autogrammstunde sein sollte, hatte sich das Schreiben immer weiter hinausgezögert, weil immer mehr Fans ihrer Bücher gekommen waren, um sie signieren zu lassen.
„War ja ganz schön was los heute!“, sagte Younes und ließ sich neben sie auf das große, blaue Sofa fallen. „Hätte nicht gedacht, dass deine Bücher so beliebt sind.“
Mara sah ihn an. „Naja, meine Leser lieben revolutionierte Schriftsteller, leben von revolutionäre Geschichten – und nichts ist revolutionärer als eine lang verschwiegene Wahrheit.“
Younes nickte. „Da hast du Recht, kleine Schwester.“ Sie schwiegen, aber es war kein unangenehmes Schweigen. Eher eins, das verursacht wird durch den Gedankengang jedes einzelnen, der seinen eigenen Weg durch die Welt des Verstehens zu finden versucht.
„Sag mal“, begann Younes und Mara ahnte bereits worauf er hinaus wollte. „Hast du schon mal darüber nachgedacht über die Geschichte unseres Volkes zu schreiben? Die Wahrheit über das was damals geschah herauszufinden und sie der Welt zu berichten?“
Mara nickte. Das hatte sie. Oft genug saß sie vor ihrem Laptop und starrte die leere, weiße Seite an, auf der der kleine schwarze Kursor blinkte, hatte versucht etwas zu schreiben, die Wahrheit zu schreiben - wenigstens das, was sie wusste, wovon aber nicht einmal sicher war, dass es die Wahrheit war.
Mara wollte gerade etwas erwidern als das Telefon klingelte. Verdutzt sah sie Younes an, um diese Zeit rief sonst nie jemand an. Sie erhob sich und ging zum Telefon. Vielleicht war es Lucy, die nochmal das morgige Interview mit der Literaturzeitschrift Read! mit ihr durchgehen wollte.
„Ja?“ In der Leitung war einige Sekunden lang nichts zu hören. Dann erklang eine – anscheinend mit einem Verzerrer manipulierte – Stimme. „Spreche ich mit Mara Shivanis?“
Mara straffte die Schultern. „Nein. Mein Name ist Christina Noran. Sie müssen sich verwählt haben“, erwiderte Mara und legte auf. Sie schluckte, dann sah sie zu Younes, der sie angespannt beobachtete. „Wer war das?“
Mara schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Die Person hat einen Stimmverzerrer benutzt. Younes... sie fragte, ob ich Mara Shivanis sei.“
Younes starrte sie an. Dann stand er abrupt auf. „Wir müssen sofort verschwinden. Pack ein paar Sachen zusammen und hinterlass Lucy eine Nachricht auf dem AB, damit sie sich keine Sorgen macht! Wo ist Dragan?“
„Bei einem Freund. Ich werde sofort dort anrufen“, sagte Mara und griff nach dem Telefon. Younes zog sein Handy aus der Tasche. Am besten er rief Len Ross an. Er würde ihnen helfen.
Zwei
Hatte sie sich geirrt? Nein. Aber warum hatte Shivanis dann... Das Telefon klingelte.
Sie ging ran. Es blieb einige Sekunden vollkommen still.
„Nun, mein Kind, wie weit bist du?“
Er war wieder dran. Er hatte nicht einmal acht Stunden nach ihrem letzten Telefonat angerufen.
„Ich.. Sie ist es tatsächlich. Ich habe es an ihrer Stimme erkannt.
Keine Reaktion. Doch dann: „Wann hast du mit ihr geredet?“
„Gerade eben. Am Telefon. Ich habe sie angerufen.“
Wieder Schweigen. Es war doch richtig, was sie getan hatte?
„Was hast du gesagt?“
Hatte sie einen Fehler gemacht?
„Ich habe nach Mara Shivanis gefragt.“
Schweigen. Ein unangenehmes, grässliches Schweigen. Eines, von denen, die einem genug Zeit gaben über das Getane noch einmal genau nachzudenken. Und dann trifft einen die Erkenntnis mit voller Wucht. „Mein Gott.“
Stille.
„Ich.. Es tut mir Leid. Ich bringe das sofort in Ordnung!“
Keine Wort.
„Bitte! Ich.. ich werde mich sofort darum kümmern. Es tut mir so Leid!“ Ihr Stimme war voller Verzweiflung.
„Tu das. Wenn du mich nochmal enttäuschst,...“
Ein Tuten erklang in der Leitung. Er hatte aufgelegt. Sie schluckte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Schweißperlen hatten sich gebildet. Erst jetzt spürte sie die Tränen, die ihr aus den Augen rannen.
Wie hatte sie nicht wissen können, dass sie Shivanis mit dem Anruf warnen würde. Wie hatte sie dieses winzige, aber entscheidende Detail übersehen können? Beim nächsten Fehler würde er sie umbringen. Vielleicht.
₪
Die Kaffeemaschine schaltete sich mit einem leisen Klicken aus. Len Ross nahm die Kanner heraus und schüttelte das braune Gebräu in eine Tasse. Er nahm einen Schluck und spuckte ihn wieder aus.
„Widerlich“, murmelte er und stellte die Kanne zurück in die Maschine. Er konnte nicht verstehen, warum die meisten Lebewesen dieses Zeug tagtäglich zu sich nahmen. Abgesehen davon, dass es grausam schmeckte, war es auch noch ungesund und führte irgendwann zum Herzinfarkt.
An der Tür klingelte es. Entweder ein nerviger Vertreter oder seine neugierige Nachbarin, die anscheinend einen Narren an ihm gefressen hatte. Len Ross öffnete die Tür und spürte jäh einen heftigen Schmerz auf dem Kopf, der anscheinend von einem Schlaf mit einem stumpfen Gegenstand herrührte. Die Welt wurde schwarz um ihn.
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Mara eilte den steinigen Weg entlang, der zum Haus von Susan Miller führte. Sie war die Mutter von Dragans bestem Freund Eric und passte ab und zu auf Dragan auf, wenn Mara zu arbeiten hatte. Genauso war es umgekehrt.
Als Susan nun die Tür öffnete, stürmte Mara förmlich in die Wohnung. „Ist er schon angezogen?“ Susan starrte ihr verwirrt hinterher. Es hatte sie schon irritiert, als Mara mitten in der Nacht anrief und meinte, sie würde Dragan sofort abholen müssen.
Sie folgte ihr die Treppe hoch zum Kinderzimmer. „Mara, was ist denn los?“, fragte Susan und Mara blieb abrupt vor der Tür stehen. „Ich.. das kann ich dir nicht erklären. Aber wir müssen so schnell wie möglich verschwinden.“ Sie öffnete die Zimmertür und trat ein.
Maras Sohn Dragan stand in der Mitte des Raumes und zog sich gerade ein T-Shirt über den Kopf. Sein Freund Eric saß neben ihm auf dem Bett. Er sah auf, als Mara die Tür öffnete. „Guten Abend, Miss Noran!“ Eric lächelte und sprang vom Bett. Eric war eine netter Junge und sah seiner Mutter sehr ähnlich. Im Gegensatz zu Dragan, der an Aussehen alles von seinem Vater geerbt hatte. Das haselnussbraune Haar, das markante Gesicht, das verschmitzte Lächeln. Nur die Augen, die waren genauso, wie die seiner Mutter. Sie waren unglaublich hell und die türkise Farbe schien nur ein unwirklicher Schimmer zu sein.
Dragan drehte sich zu seiner Mutter um. „Warum muss ich denn schon nach Hause?“, murmelte er grimmig. Mara schluckte. Sie hatte erwartet, dass sie ihn irgendwann aus seiner gewohnten Umgebung herausreißen hätte müssen. Aber sie hatte gehofft...
„Tut mir Leid, mein Schatz, aber wir müssen für einige Zeit verreisen. Verabschiede dich von Eric. Ich weiß noch nicht, wann wir wieder kommen“, erklärte Mara und sie konnte sehen wie Dragans Gesichtszüge ernst wurden. Er nickte. Dann wandte er sich zu seinem Freund um.
„Ich melde mich, Captain Miller.“ Er salutierte und Eric tat es ihm gleich. „Ich freue mich auf eine baldige Nachricht.“
Maras Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah zu Susan, deren Augen ebenfalls feucht schimmerten. „Ich gebe dir Bescheid, wenn..“ Wenn was? Wenn sie sicher gehen konnte, dass sie und ihre Familie nicht mehr in Gefahr waren? Wenn sie sicher sein konnte, dass sie andere nicht mehr gefährdete? Mara seufzte.
Sie umarmte Susan. „Danke.“ Susan sah sie an. „Pass auf dich auf! Und melde dich, wenn – alles geklärt ist, okay?“ Mara nickte. Dann nahm sie Dragan bei der Hand und zog ihn nach draußen.
Younes saß im Auto und begrüßte seinen Neffen freudig. „Hey Kumpel, na, alles klar bei dir?“, fragte er locker und Dragan nickte. Sein Gesicht war immer noch zu einer ernsten Miene verzogen.
„Wie lange werden wir weg bleiben?“ Mara und Younes sahen sich an. Sie wussten keine Antwort darauf. Sie wussten nicht einmal, ob sie überhaupt jemals wieder hierher kommen konnten.
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Sie brauchten einige Stunden bevor sie in dem kleinen Ort Runbi ankamen, in dem Len Ross wohnte. Er hatte ein Haus direkt am See. Genauer gesagt am einzigen See, den es auf dem gesamten Saturn gab. Schließlich waren die hier herrschenden Verhältnisse nicht gerade dafür gemacht.
Aber Len Ross hatte in seinem Leben auf der Erde genug Geld verdient, um sich von Experten eine geeignete Anlage bauen zu lassen. Er hatte alles getan, um sich ein Paradies auf Erden – oder besser gesagt auf dem Saturn – zu schaffen.
Sein Haus war groß und hatte etwas von einem der Anwesen, die sich in der spanischen Toskana auf der Erde fanden. Sein Garten dagegen war eher japanisch angehaucht und der See glich einem klaren Bergsee, wie sie in den österreichischen Alpen zu finden waren.
Er war eben doch durch und durch ein Mensch, wenn er auch immer darauf spekulierte nicht wie einer behandelt zu werden. Denn seit dem Born-Experiment, das zur allgemeinen Sterilität bei einem Großteil der menschlichen Frauen führte und Millionen Fehlgeburten zur Folge hatte, waren Menschen eine Art Rarität. Sie wurden von allen wie seltene, uralte Fossilien behandelt, die jeden Moment zu Staub zerfallen könnten. Und wie ein Fossil wollte Len Ross nicht behandelt werden, denn immerhin hatte er sich mit seinen 63 Jahren noch sehr gut in Form gehalten.
Als er nun aber die Tür öffnete, schien er ganz und gar nicht fit. Nicht erschöpft und müde, aber irgendwie... demoliert! Er hielt einen Eisbeutel an seinen Hinterkopf gepresst.
„Len, was ist passiert?“ Younes starrte seinen ehemaligen Mentor erschrocken an. Dieser lächelte aber nur und wies sie an doch erst einmal herein zu kommen.
Er ging voraus ins Wohnzimmer. Es sah aus als hätte ein Meteor eingeschlagen, was auf dem Saturn nicht unbedingt ungewöhnlich war. Allerdings war das Dach nicht beschädigt und soweit sie wussten, wurde überall meteoritensicheres Glas verwendet. Im ganzen Raum lagen Zettel herum, waren Schubladen geöffnet und Bücherstapel umgestoßen wurden. Anscheinend hatte jemand nach etwas gesucht.
Auf dem großen Sofa saß ein junger Mann, der sich sofort erhob, als er sie ins Zimmer kommen sah. „Jaromir, kennt ihr ja noch.“ Er begrüßte sie alle mit einer kleinen Verbeugung.
„Setzt euch doch erstmal! Und dann verratet mir, was genau eigentlich passiert ist.“
Mara schüttelte den Kopf. „Ich würde gerne erst einmal wissen, was mit Ihnen passiert ist, Len. Wurden Sie angegriffen?“
Len Ross schmunzelte. „Nun, einen Angriff würde ich das nicht direkt nennen. Ich wurde niedergeschlagen und habe das Bewusstsein verloren. In der Zwischenzeit hat jemand mein gesamtes Haus durchforstet. Was auch immer er gesucht hat, er wird es nicht gefunden haben. Jaromir hat den Einbrecher mitten in seinem Tun unterbrochen. Leider konnte er fliehen.“
Mara verstand die Menschen oft nicht. Doch Len Ross war ein besonders komisches Exemplar. Er schien einen Überfall, der ihn - nach der Beule an seinem Kopf zu urteilen – auch hätte umbringen können, für vollkommen belanglos zu halten.
„Wurde etwas gestohlen?“, fragte Younes und Len schüttelte den Kopf. „Nein, hier gibt es nichts zu stehlen. Ich glaube auch nicht, dass der.. Einbrecher etwas von materiellem Wert stehlen wollte. Sonst hätte er sich nicht hauptsächlich mit Papierkram abgegeben. Nun, egal. Vielleicht werde ich beim Aufräumen herausfinden, was der Dieb...“
In dem Moment klirrte es hinter ihnen. Mara, Younes und Jaromir sprangen gleichzeitig auf und stellten sich in Kampfposition. Doch Dragan hatte nur eine Vase heruntergeworfen. „´tschuldigung“, murmelte er. Mara ließ erleichtert die Schultern sinken. „Sei vorsichtig, mein Schatz. Onkel Len hat einige sehr wertvolle Teile in seinem Haus.“
Len Ross lachte. „Keine Sorge, mein Junge. Das sind alle Imitate. Die echten sind überall in der Welt in Antikmuseen verteilt. Wenn du willst, kannst du jedes einzelne kaputt machen.“ Mit diesen Worten machte er eine Handbewegung in Richtung einer anscheinend aus der Ming- Dynastie stammenden Vase, die im nächsten Moment mit einem Klirren auf dem Boden zerschellte.
Dragan starrte mit großen Augen auf die Scherben. „Cool. Wie hast du das gemacht?“ Len Ross lächelte. „Pass auf!“ Er deutete auf die Vase. „Ich zeig dir noch was viel cooleres!“ Er machte eine weitere Handbewegung und im nächsten Moment stand die Vase wieder an ihrem Platz. So als wäre sie nie kaputt gegangen. „Abgespaced!“
Mara lächelte. Wie schnell man ihren Jungen doch beeindrucken konnte, dabei handelte es sich hier um eine der einfachsten Galaxialübungen, die man bereits in der Schule lernte. Durch die besonderen atmosphärischen Bedingungen auf dem Saturn fanden sich an bestimmten Stellen auf dem Planeten sogenannte Zeitlöcher. Sie konnten innerhalb eines bestimmten Gebiets beliebig hin und her bewegt werden und suggerierten dem davor Stehenden, was passieren könnte, wenn er seine nächste Handlung tatsächlich ausführen würde. Wenn man das Loch dann „verschob“, kam die Realität wieder zum Vorschein.
„Nun, gut. Wir sollten uns nun um euer Problem kümmern.“ Mara nickte und berichtete von dem Anruf. Len Ross legte die Stirn in Falten. „Der Anrufer wusste genau, wer du bist. Das ist kein gutes Zeichen. Und selbst deine – wie ich bemerken muss – fantastische Reaktion, wird ihn nicht davon überzeugt haben, dass er im Unrecht ist. Allerdings hat er einen Fehler gemacht.“
„Er hat uns gewarnt. Mit dem Anruf hat er uns die Chance gegeben zu reagieren“, sagte Younes und Len Ross nickte. „Allerdings.“
Mara sah ihren Bruder kurz an. „Wir haben uns etwas überlegt. Offiziell bin ich ja immer noch Schriftstellerin.“ - „Eine hervorragende Schriftstellerin. Ich habe dein neues Buch bereits gelesen. Ich habe schon immer geahnt, dass Leysa Mahoni damals Ungahu Rei entlarvte. Auch wenn die afrikanische Regierung die Lorbeeren für sich ernten wollte.“
Mara nickte. Sie hatte gut vier Jahre gebraucht, um alle nötigen Informationen über diesen Fall zusammen zu kriegen, bevor sie das Buch schreiben konnte, aber es war ein voller Erfolg geworden. „Jedenfalls... Wir haben uns gedacht.. - Erinnerst du dich an das Neptunius Projekt? Damals sollte eine Forschungsreihe auf dem Planeten vorgenommen werden, um die Ursache für die.. „Seuche“ zu finden, die unser Volk vernichtete.“
Len Ross nickte. „Das Unternehmen scheiterte wegen technischer Schwierigkeiten und wurde dann fallen gelassen, da der Uranuskrieg die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog.“
„Genau“, fuhr Younes fort. „Wie wir alle wissen ist meine Schwester offiziell die Enthüllungsautorin schlechthin und da sie bereits ankündigte bald an einem neuen Projekt zu arbeiten, dachten wir...“
Len Ross´ Augen wurden groß. „Mein Gott!“ Er erhob sich und lief zum Fenster, wandte sich um und kam wieder zur Couch zurück. Er setzte sich. „Wenn das wirklich klappen würde...“
„Ich bin mir sicher, dass es klappen kann“, sagte Mara. „Wo könnten wir sicherer sein, als auf einem Raumschiff mit einer ausgewählten Crew von Experten. Dazu kommt, dass wir wahrscheinlich unter Beobachtung des Militärs und der Medien stehen und somit vor größeren Angriffen geschützt sind.“
Len Ross erhob sich. „Ich werde sofort alles Mögliche veranlassen! Ich habe einen Bekannten beim Militär, der mir noch was schuldig ist und...“ In seine Augen trat ein Strahlen. Anscheinend war ihm eine fantastische Idee gekommen. Er nickte mehrmals wie in Trance und verschwand dann flinkt aus dem Zimmer. Jaromir verbeugte sich und folgte ihm.
Mara und Younes sahen ihnen nach. „Ich werde Lucy anrufen und ihr von meinem neuen Projekt zu berichten. Sie wird überaus erfreut sein.“ Younes nickte.
Mara zog ihre Satfon aus der Tasche und wählte Lucys Nummer an. Es tutete einige Male, bevor Lucy ranging. Sie schien mehr als überrascht, als sie Maras Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. Immerhin war es normalerweise sie selbst, die mitten in der Nacht anrief, um über ausgefallene PR-Projekte zu reden. Doch als Mara ihr von dem neuen Projekt berichtete, vergaß Lucy ihre Überraschung sofort. „Das ist ja fantastisch! Christina, weißt du wie viel Geld uns das einbringen könnte. Alle wollen wissen, was damals auf dem Neptun wirklich passiert ist. Und wenn du... Das wäre einfach großartig!“
Mara kam gar nicht dazu weiteres zu erklären, denn Lucy verabschiedete sich mit den Worten „Ich muss sofort die Presse informieren“ und legte einfach auf. Mara schüttelte lächelnd den Kopf.
Younes trat hinter sie. „Alles klar?“ Mara sah auf. Sie nickte. „Lucy war sofort von den Socken und plant bereits eine große PR-Kampagne. Ich nehme an sie wird noch heute Nacht alle nennenswerten Medien informieren.“
Younes lachte. Diese Lucy war schon eine aufgeweckte Person. Er blickte hinaus in den japanischen Garten. Wenn man auf der kleinen Bank auf der anderen Seite des kleinen Teichs saß, konnte man sicher ganz einfach den Rest der Welt vergessen.
Ob wir es herausfinden? Was damals passiert ist? Mara sah ihn an. Er nickte. Ich vertraue deinem übermenschlichem Spürsinn. Mara lachte und Younes Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.
Drei
„Nein! Ich werde nicht mit diesem Mann zusammen arbeiten“, schrie Mara und Len Ross konnte schwören, dass er noch nie eine Frau so erzürnt gesehen hatte. Allerdings konnte er nicht einschätze, wie Frauen von anderen Planeten sich verhielten. Immerhin hatte er bisher immer nur mit menschlichen Frauen zu tun gehabt.
„Aber, aber, meine Liebe, kein Grund so zu schreien.“ Er legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Wenn du nicht mit ihm arbeiten willst, dann musst du das nicht. Du kannst ihn meinetwegen die ganze Reise über ignorieren.“
Er hatte bereits geahnt, dass sie das noch wütender machen würde. Sie hatte die Hand zum Schlag erhoben sich aber noch in letzter Sekunde besonnen. Sie konnte doch Len Ross nicht schlagen. Er war all die Jahr für sie wie ein Vater gewesen.
Sie ließ sich auf einen Stuhl in der geräumigen Küche fallen. „Und es gibt keinen anderen, der das Shuttle steuern kann?“
Len Ross lächelte. „Nein. Du weißt, dass er der Beste ist. Gerade deshalb hast du dich doch damals auf der Akademie auch so stark hingezogen gefühlt.“
Grimmig verzog sie das Gesicht. J.D. Parker. Ihr Ex-Lebensgefährte und – was eigentlich das schlimmste überhaupt war – der Vater ihres Sohnes. Leider hatte Len Ross Recht. J.D. war der Beste! Es gab keinen, der ein Spaceship – egal, wie groß es war und durch welche engen Schluchten es sich bewegen musste – eleganter steuern konnte als er. Sogar einen Flieger aus der alten, klobigen A4x-Serie konnte dieser Mann wie einen eleganten Schmetterling, der ohne eine Blüte zu berühren durch eine Blumenwiese flog, aussehen lassen.
Mara öffnete den Mund, um noch ein letztes Gegenargument einzuwerfen, da öffnete sich die Tür und Dragan stürzte herein. In seiner Hand ein Modell eines Spaceshuttles rannte er durch den Raum und imitierte die Motorgeräusche. Allerdings ähnelten diese eher denen eines Hubschraubers.
„Dragan, woher hast du das? Ich habe dir doch gesagt, du sollst nichts anfassen.“ Dragan stoppte und wandte sich trotzig zu seiner Mutter um. „Das ist meins, Mummy! Der Onkel da hat es mir geschenkt.“ Damit verschwand er wieder.
Mara wandte sich um. Lässig am Türrahmen angelehnt stand J.D. Parker in seiner alten, zerklüfteten Jeansjacke und eine Sonnenbrille auf der Nase. Er sah aus wie eh und jeh.
Mara fixierte ihn, während er sie eingiebig und ohne jegliche Scham musterte. Als er in ihr Gesicht sah, grinste er. „Wenn Blicke töten könnten...“
„Du hast dich kein bisschen verändert.“ J.D. lachte und kam näher. „Du auch nicht, meine Schöne. Obwohl du ein wenig zugenommen hast seit du nicht mehr auf der Akademie bist.“
Mara verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Im Gegensatz zu dir kann ich meine Zeit nicht im Fitnessstudio vertrödeln. Ich habe einen Sohn, um den ich mich kümmern muss und einen Job, der mindestens genauso viel Aufmerksamkeit benötigt.“
„Oh, ich habe auch einen Job, der viel Aufmerksamkeit benötigt und was den Sohn angeht...“ Er sah zu Dragan hinüber, der gerade wieder durch´s Zimmer rannte. Mara ballte die Faust und spürte im gleichen Moment Len Ross´ Hand auf der Schulter.
„Hallo, J.D.“, begrüßte er den neuen Gast. „Freut mich, dass du so schnell kommen konntest.“ J.D. nickte. „Du weißt doch, dass ich jederzeit für dich zur Verfügung stehe. Egal, worum es geht.“
Len Ross lächelte. „Nun, gut. Die anderen sind auch gerade eingetroffen, wie ich sehe. Lasst uns hinüber ins Wohnzimmer gehen.“
J.D. trat zur Seite und ließ Mara den Vortritt. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und er schüttelte den Kopf. Verstehe einer die Frauen, dachte er. Wie man es macht, man macht es falsch. Mara wandte sich um, wollte etwas sagen und verkniff sich dann aber doch ein paar scharfe Worte.
Wenn er es ihr recht machen wollte, sollte er am besten endlich und endgültig aus ihrem Leben verschwinden. Mit einem Verräter und Fremdgeher wollte sie nichts zu tun haben, wobei letzteres für sie weniger von Belange war. Nur ein Grund mehr ihn zu hassen.
Sie waren damals zusammen auf die Akademie zur militärischen Ausbildung gegangen. Mara studierte zu der Zeit eigentlich an der Saturnia University of Literature Politikwissenschaften und Geschichte und J.D. gehörte zum Fliegertrupp der Militärs, doch beide hatten als Sportwahlfach “Kampfsportarten” angegeben und sich so kennen gelernt.
Sie vertraten die gleichen politischen Ansichten, mochten die gleichen Filme und die gleiche Musik. Er war der einzige Junge, der sich ernsthaft für sie zu interessieren schien und deshalb hatte sich Mara auf ihn eingelassen. Sie hatte ihn nicht geliebt. Aber sie mochte ihn und er schien sie auch zu mögen.
Eines Tages plante die Gruppe, der sie angehörten, eine Aktion gegen die politische Einengung der uranusschen Einwanderer. Mara hatte sich schon immer für die Opfer des Uranuskrieges eingesetzt. Der Plan, den sie entwickelt hatten, war fantastisch gewesen und bisher hatte keiner ihrer Gegenspieler etwas mitbekommen.
Doch dann flogen sie doch auf. Das letzte Treffen, bevor die Aktion starten sollte, wurde plötzlich von der Planetenpolizei unterbrochen. Alle wurden festgenommen. Nur J.D. Parker nicht, denn er war derjenige gewesen, der die gesamte Truppe verraten hatte.
Mara schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über solche Sachen nachzudenken. Sie betrat das Wohnzimmer, in dem sich mehrere Personen versammelt hatten.
„Christina!“ Eine Frau mit feuerroten Haaren kam auf sie zu. „Cathlin? Was machst du denn hier!“
Cathlin Hunter war mit in der Gruppe auf dem College und wohl die aktivste von allen Mitglieder gewesen. Vor acht Jahren war sie allerdings eher mollig und trug eine dicke Hornbrille. Die Frau, die nun aber vor ihr stand, war schlank, fast sogar muskulös und trug – allem Anschein nach – Kontaktlinsen.
„Wahnsinn!“ Mara strahlte sie an. „Cathlin Hunter, du siehst aus wie ein Modell für Badekleidung. Was ist bloß passiert?“
Cathlin lachte. „Ja, schick nicht wahr. Nach dem College habe ich endlich zu mir gefunden und meine Schokoriegel gegen Karotten ausgetauscht. Und übrigens meine Name ist jetzt Mads.“ Und damit hob sie Mara ihre Hand entgegen und zeigte ihr einen wunderschönen goldroten Ehering.
Mara strahlte. „Mein Gott... herzlichen Glückwunsch!“ Plötzlich stutzte sie. „Moment! Mads? So wie Al Mads? Der Spaceball-Spieler vom Schulteam?“
„Du hast es erraten, kleine Nudel“, sagte eine feste Männerstimme neben ihr und Mara erstarrte. Albert Mads stand in seiner ganzen Größe mitten im Zimmer. Er schien Mara noch größer und kräftiger geworden zu sein. Ein Prachtexemplar von einem Mann.
Er nahm sie in den Arm. „Freut mich dich zu sehen, Kleine.“ Mara boxte ihn. „Hey, klein bin ich schon lange nicht mehr, Al!“ Albert grinste. Er war immer der beste Freund ihres großen Bruders gewesen und hatte mit ihm das College besucht. Schon damals war sie für ihn wie eine kleine Schwester gewesen und er hatte immer gehofft, dass die Sache zwischen ihr und J.D. - seinem kleinen Bruder – etwas ernstes geworden wäre. Er mochte sie wirklich gern.
In dem Moment kam Dragan angerannt. „Brumm!“ Und schon war er wieder verschwunden.
Cathlin sah ihm überrascht hinterher. „Was macht denn das Kind hier?“ Mara lächelte. „Das ist mein Sohn.“
Cathlin sah ihren Mann verdutzt an. „Du hast nie erwähnt, dass sie ein Kind bekommen hatte.“ Mara sah sie überrascht an. Sie hatte angenommen, dass J.D. Albert und Cathlin davon erzählt hatte.
„Wie alt ist der Junge denn?“, fragte Albert. Mara straffte die Schultern.. „Acht. Er wird in einem Monat neun.“
Mara beobachtete Alberts Gesicht. Als er verstand, was sie da gerade gesagt hatte, zog er eine Augenbraue hoch. „Dann hättest du ja bereits während deines Studiums mit ihm Schwanger sein müssen.“
Mara nickte und Cathlin stieß einen erschreckten Laut aus. „Oh, mein Gott! Du hast nie etwas erzählt!“ Mara zuckte die Schultern. „Ich nahm an J.D. hätte es euch erzählt. Ich habe nicht erwartet, dass er...“
Sie zog die Stirn in Falten. Nicht nur, dass er seinen Sohn nicht besuchte und sich auch sonst nicht für ihn interessierte. Er hatte nicht mal den Anstand seiner Familie von ihm zu erzählen. Irgendwie würde ich jetzt unglaublich gern etwas zertrümmern. Sie hörte ein Lachen hinter sich und ihr Bruder zwinkerte ihr verschmitzt zu.
Manchmal hasst sie diese Gedankenleserei. Aber immerhin konnte sie es mittlerweile kontrollieren und musste sich nicht jeden Gedankengang mitverfolgen.
In diesem Moment erschien Dragan erneut. Diesmal schien er allerdings etwas verstört und versteckte sich direkt hinter seiner Mutter. „Mami, hinterm Haus ist ein Ungeheuer!“, flüsterte er ängstlich.
Mara lächelte. „Tatsächlich? Wollen wir nicht mal nachschauen, ob es nicht doch nur ein Schatten war?“ Mutig nickte Dragan und ging mit seiner Mutter zum Fenster auf der anderen Seite des Raumes.
Mara erstarrte. Im Garten stand tatsächlich ein riesiges Ungeheuer. Allerdings war es kein Lebewesen, sondern ein riesiges Spaceship. Seine Form glich der eines Wales, vorn groß und rund und nach hinten immer schmaler und enger werdend, am Ende breite Flügel, an den mehrere Antriebe angebracht waren.
Len Ross trat neben Mara. „Darf ich vorstellen: die „Meridith IV“.“ In seinem Blick spiegelte sich Stolz wieder. Mein Meisterwerk. Mara lächelte. Len Ross hatte es anscheinend selbst entworfen.
In diesem Moment wurde eine Luke am Schiff geöffnet und einige Personen in Spezialuniformen kamen heraus. Len Ross nickte einem von ihnen zu, anscheinend der Chef der Truppe. Er gab den anderen einen Befehl und ging dann den Weg zum Haus entlang. Eine Minuten später standen er im Raum.
Len Ross begrüßte ihn und sie wechselten ein paar Worte. Dann wandte er sich zu den anderen um. „Meine Liebe, darf ich vorstellen: Commander Terence Bullman. Er leitet die Spezialeinheit, die uns zum Neptun begleiten wird.“ Bullman blickte in die Runde. An Mara blieben seine Augen hängen und er nickte kurz.
Cathlin stupste sie an. „Der Commander scheint dich zu mögen. Soweit ich gehört habe, ist er ein einziger Eisblock und ähnelt eine Kampfmaschine. Außer wenn er Befehle gibt, soll er nie ein Wort sagen.“
Mara musterte ihn. Aber alles, was sie über ihn sagen konnte, war, dass er ein großer, sehr militär wirkender Jupitanier war. Das Symbol eines Blitzes in einem Kreis ließ das eindeutig zu erkennen. Der Spezialanzug ließ seinen Träger muskulös und kräftig wirken, was nicht immer dem tatsächlichem Körperbau entsprechen musste.
Len Ross schaute sich um. „Oh, es scheint noch jemand zu fehlen! Nun, gut. Warten wir so lange noch, bevor wir die Reise besprechen. Eure Sachen werden bereits vom Personal in eure Kabinen gebracht. Setzt euch doch noch ein wenig und ruht euch aus! Wir haben eine lange Reise vor uns und...“
Jaromir Silas kam in den Raum und trat neben Len Ross. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr. Len Ross nickte und Jaromir verschwand wieder. „Unsere letzten Gäste sind doch noch eingetroffen“, verkündete Len Ross und ein Mann, der mindestens so alt war wie Len Ross selbst, und zwei junge Frauen betraten den Raum.
Len Ross begrüßte alle drei mit einem kräftigen Händedruck. „Schön, dass Sie es doch noch so schnell geschafft haben.“ Er wandte sich zu den anderen, welche die Neuankömmlinge gespannt musterten. „Das sind Professor Miller von der Seamon Akademy of Science, Dr. Cox von der Jains Univerity of Medical Investigations und ihre Schwester Nika Cox, die ihr als Assistentin zu Seite steht.“
Maras Blick war an Dr. Cox hängen geblieben. Was für eine schöne Frau! Ihre schwarzen Haare standen im Kontrast zu ihrer hellen Haut. Ihre Lippen waren mattrosa und ihre Augen.. Dr. Cox sah sie an und Mara fühlte plötzlich eine unglaubliche Spannung im ganzen Körper. Er fühlte sich an als wenn alles an Dr. Cox Mara zu sich zog. Sie konnte den Blick nicht von ihr wenden. Noch nie hatte sie eine so schöne Frau gesehen.
Plötzlich spürte sie ein Ziehen an ihrem Arm. Sie wandte den Blick ab und spürte im gleichen Moment wie die Spannung von ihr abfiel. Ein Zauber! Sie war also eine Venus. Daher das Verlangen diese wunderschönen Lippen zu küssen und mit den Fingern über ihre sicher samtweiche Haut zu streicheln..
„Mami!“ Dragan schaute sie mit gequältem Gesicht an. „Ich muss mal.“
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Dragan stürmte in die Toilette. Bevor er seine Hose runter zog, schaute er sie grimmig an. „Ich kann das schon alleine!“ Mara hob entschuldigend die Hand und schloss die Tür hinter sich.
Im Flur lehnte sie sich an die Wand. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
„Worüber lachen sie?“ Mara sah auf. Dr. Cox stand neben ihr. „Ich habe nicht gelacht. Nur gelächelt.“
„Oh, ein Lächeln vermag oft mehr als ein Lachen“, erwiderte Dr. Cox und Mara lächlte wie von selbst. Dr. Cox reichte ihr die Hand. „Mein Name ist Yasmin. Sie sind Christina Noran, nicht wahr?“
Mara nahm ihre Hand. „Manchmal weiß ich nicht, wer ich bin.“ Yasmin hielt ihre Hand fest und Mara sah ihr in die Augen. Es war als würde Yasmin in ihr Innerstes schauen und Mara war versucht ihre Gedanken zu lesen, doch irgendetwas hielt sie davon ab.
In dem Moment flog die Tür auf und Dragan kam aus dem Bad. Mara zog erschrocken ihre Hand zurück und wandte sich ihrem Sohn zu. Er sah Yasmin an. „Sind Sie ein Arzt?“, fragte er und verzog das Gesicht ein wenig. Seit seinem fünften Lebensjahr empfand er eine gewisse Abneigung gegenüber Ärzten. Damals hatte er eine Spritze gegen Tollwut bekommen, nachdem ihn eine saturnischer Kraterschlange gebissen hatte. Seitdem wollte er nie wieder eine Praxis betreten.
Yasmin kniete sie vor ihn, sodass sie auf ihre Augen auf der gleichen Höhe waren. „Nein, ich bin eine Ärztin“, beantwortete sie seine Frage und zauberte hinter seinem Ohr einen kleinen Goldtaler, auf dem Mara den Aufdruck „Spaceschokolade“ erkennen konnte, hervor. „Ärztinnen sind viel netter als Ärzte.“
Dragan nahm strahlend den Taler entgegen und rannte davon. Mara lachte. „Na, da haben Sie mir ja was schönes eingebrockt. Ab jetzt möchte mein Sohn sicher nur noch von Frauen behandelt werden.“
Yasmin stand ganz dicht vor ihr. „Wollen wir das nicht alle?“ Ihr Gesicht war direkt vor Maras. So nah, dass Yasmins Atem an ihrer Wange spüren konnte. Wie ein zarter Hauch. Ihr Herz begann zu rasen. Diese Augen. Und jetzt, wo sie so dicht vor ihr stand, stieg ihr Yasmins Duft in die Nase. Sie schloss die Augen. Es war ein wunderbarer Duft. Ein geradezu betörender Duft. Er erinnerte Mara an eine Wiese voller herrlich duftender Blumen. Yasmin. Ihr Duft höllte sie vollkommen ein und Mara spürte wie ein Kribbeln sie erfasste. Yasmin... Sie öffnete die abrupt die Augen. Yasmin war verschwunden.
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Ihr Telefon vibrierte und sie wandte sich von der Gruppe ab.
„Ja?“ Sie wusste, dass er es war.
„Nun, mein Kind?“
Sie hoffte. Hoffte, dass sie keinen weiteren Fehler gemacht hatte.
„Ich habe mich ihr angeschlossen – sie plant eine Expedition auf den Neptun. Ich werde mit ihr fahren. Und dann werde ich es tun. Ich habe keinen weiteren Fehler gemacht.“
Er schwieg. Sie spürte wie ihr die Angst den Nacken hoch kroch. Sie ertrug dieses Warten nicht. Es war eine Qual.
„Wir werden sehen.“
Er legte auf und sie wünschte, sie hätte sich ihm nie angeschlossen. Sicher würde er sie irgendwann umbringen. Bald. Vielleicht.
Vier
Als wenige Stunden später die computerannographierte Sonne am Horizont aufging, herrschte bereits reges Treiben auf dem Gelände hinterm Haus. Das gesamte Gepäck der Mannschaft, die Vorräte für die Reise und viele technische Gerätschaften mussten auf den Frachter geladen werden.
Dazu wurden den Besatzungsmitglieder ihre Kabinen gezeigt (28 Besatzungsmitglieder verteilt auf Kabinen für für mehr als 100 Personen). Dragan freundete sich sofort mit dem Koch namens Loise und dessen Bruder Louis, der als Mechatroniker angestellt worden war, an.
„Sie haben ihn sofort ins Herz geschlossen“, berichtete Mara der erstaunten Cathlin. „Wenn sie nicht aufpassen, plündert er ihnen noch die gesamte Vorratskammer.“
Abgesehen von zwei weiteren Mechatronikern, wurde auch noch eine Truppe Astronauten von der Akademy of astronomical Vision vom Pluto eingeflogen. Sie bestand aus drei Männern und zwei Frauen, die allesamt Anfang zwanzig waren und frisch aus der Ausbildung kamen.
„Frischfleisch“, murrte Commander Bullman neben Mara. Anscheinend hielt er von keinem etwas, der ihm nicht das Wasser reichen konnte. Erst vor wenigen Minuten hatte er J.D. mit einem eiskalten Blick und einer verachtenden Bemerkung gewürdigt, was Mara durchaus mit Genugtuung zur Kenntnis nahm.
Am entfernten Grundstückrand hin zur Straße hatten sich einige Reporter versammelt, zu denen jede Stunde immer die doppelte Anzahl an Kollegen hinzurückte. Gegen Mittag hatte sich dann bereits eine große Menschenmenge gebildet; darunter auch Umweltaktivisten, die Schilder mit Aufschriften wie „Umso größer des Boot, umso größer die Not“ und „Rettet Atlantis, lasst der Natur ihren Frieden“ in den Händen hielten (zu denen Bullman auch mehrere verachtende Worte fand), einige zufällige Besucher, die beim allmorgendlichen Spacejogging sich neugierig der wartenden Menschenmenge anschlossen (wobei keine von ihnen so richtig wusste worauf eigentlich gewartet wurde), und mehrere Fans der Autorin Christina Noran, die durch Chatrooms und Foren im Internet von dem neuen Projekt erfahren hatten und sich erhofften auf die Schnelle noch ein Autogramm zu erhaschen (hauptsächlich aber deshalb gekommen waren, um im Hintergrund der Reporter in den 12-Uhr-Nachrichten zu erscheinen).
Mara konnte erkennen, wie sie kurzzeitig etwas in der Gruppe regte. Eine Frau hatte sich durch die Menge gekämpft und stand nun direkt am Eingang. Sie winkte aufgeregt in ihre Richtung.
„Lucy!“ Mara wollte schon losrennen, um ihrer Freundin zu helfen, doch Len Ross hielt sie zurück. „Jaromir ist bereits auf dem Weg.“
Und tatsächlich eilte der große, etwas eigentümliche Wegbegleiter Len Ross´ schon zum Tor. Nun, eilen konnte man das nicht direkt nennen. Überhaupt war alles an Jaromir schwer zu bennen. Wenn Mara ihn hätte beschreiben müssen, würde sie ihn mit einem stolzen Indianer vergleichen, von denen auf der Erde nur noch eine Hand voll existierten. Er war absolut loyal, immer anwesend und trotzdem nie wahrnehmbar, schnell wie der Wind und strahlte doch eine Ruhe aus wie kein anderer. Jaromir Silas war Mara ein vollkommenes Mysterium. Sie konnte nicht einmal seine Gedanken lesen. Er war wie ein verschlossenes Buch, das ein dickes Schloss besaß, um ein Geheimnis zu schützen und zu dem nur Len Ross einen Schlüssel besaß.
Sobald Jaromir das Tor geöffnet hatte, um Lucy hinein zu lassen, stürzte sie ohne einen weiteren Blick (was Mara ein wenig beunruhigte, denn Lucy hatte für schöne Männer immer mindestens ein Lächeln übrig – und Jaromir Silas war ein schöner Mann) über das Grundstück direkt auf Mara zu.
Mara lächelte ihr etwas schief entgegen, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, was ihre Freundin so verärgerte, dass sie keinen der hier anwesenden hauptsächlich muskelbepackten, mit einem charmanten Lächeln gesegneten (wenn man von Bullman mal absah), überaus attraktiven Männer auch nur mit einem Blick würdigte.
„Hallo, Lucy! Was...“, begann sie schon, doch Lucy fuhr ihr sofort über den Mund.
„Christina! Kannst du mir mal bitte erklären, was diese ganzen Reporter hier sollen?“
Mara sah sie überrascht an. „Ich dachte, du hättest...“
„Wenn ich etwas getan hätte, würde hier nicht so ein Zirkus stattfinden! Pressekonferenzen sind das Ah! und Oh!, lautet mein Motto. Dort kann ich kontrollieren, wer welche Fragen stellt und wie viel Informationen die Medien bekommen. Aber das hier gleicht einem Affentheater. Und wenn einer der hier anwesenden nur ein falsches Wort über die fallen lässt, dann könnte das dein gesamtes Image versauen!“ Sie holte einmal tief Luft und wollte schon fortfahren mit ihrem Redeschwall, doch in diesem Moment trat Commander Bullman neben Mara.
Lucy erstarrte. „Bullman?“ Mara sah zwischen den beiden hin und her. „Ihr kennt euch?“ Bullman nickte. Lucy brachte ein schiefes Lächeln zu Stande, dann nahm sie Mara beim Arm und zog sie zur Seite.
„Was macht der denn hier?“, flüsterte sie. |
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